Führungswechsel an der ETH in Singapur

Anfang Jahr hat Gisbert Schneider die Leitung des Singapore-ETH Centre (SEC) an Manu Kapur ¨¹bergeben. Im Interview blickt der scheidende SEC-Direktor auf seine dreij?hrige Amtszeit zur¨¹ck und erkl?rt, weshalb er mit einem Bein in Singapur bleibt.

Gisbert Schneider vor dem Ó¢»ÊÓéÀÖ in Singapur
Gisbert Schneider ¨¹bergab die Leitung des Singapore-ETH Centre (SEC) an Manu Kapur. (Bild: Grace Baey)  

Gisbert Schneider kam 2010 als ordentlicher Professor f¨¹r Computer-Assisted Drug Design an die ETH Z¨¹rich. Im gleichen Jahr er?ffnete die Hochschule ihre Aussenstelle in Singapur, die Schneider w?hrend der letzten drei Jahre als Direktor leitete. Der Beginn seiner Amtszeit war gepr?gt von der Corona-Pandemie. Dennoch gelang es in den letzten Jahren, den ETH-Standort in Singapur weiter zu profilieren und als Hub der Schweizerischen Wissenschaftsdiplomatie zu positionieren.

Welche Bedeutung hat das Forschungszentrum in Singapur f¨¹r die ETH?
Gisbert Schneider
: Das SEC bietet Schweizer Forschenden nicht nur eine hervorragende Forschungsumgebung, sondern vor allem auch die M?glichkeit, Wissenschaft ausserhalb des europ?ischen Kontexts zu erleben und zu betreiben. Das ist eine enorme Bereicherung, nicht nur f¨¹r die einzelnen Forschenden, sondern auch f¨¹r die ETH als Ganzes. Denn viele M?rkte der Zukunft liegen in Asien. Das Besondere am SEC ist, dass hier die Verbindung von Wissenschaftskulturen in einem hochdynamischen Umfeld stattfindet. Darin liegt eine grosse Kraft. Nun ¨¹bernimmt Manu Kapur die Leitung, was ein grosser Gl¨¹cksfall ist. Ich kann mir keinen besseren Br¨¹ckenbauer vorstellen.

Blicken wir auf Ihre Zeit am SEC zur¨¹ck. Wie hat sich das Forschungszentrum in den letzten drei Jahren entwickelt?
Zum einen ist es weitergewachsen. Inzwischen umfasst die SEC-Community insgesamt etwa 300 Forschende, die an zahlreichen verschiedenen Projekten arbeiteten ¨C von der Stadtplanung bis hin zur digitalen Medizin. Der Mensch und die Frage, wie wir in der Zukunft leben und arbeiten wollen, stehen dabei im Mittelpunkt. ?The Future is Green, Clean, and Healthy? ist Motto und Ansporn zugleich. So haben wir beispielsweise das erste Flagship-Projekt, das Future Cities Lab (FCL) nach zehn Jahren Laufzeit als ?FCL Global? neu aufgesetzt; und mit Future Health Technologies (FHT) haben wir das dritte Flagship-Programm gestartet. Gleichzeitig hat das SEC in seiner Funktion als Schweizer Hub in Asien viel Anerkennung erfahren.

Inwiefern?
Durch unsere zahlreichen Kontakte, auch zu Schweizer Botschaften in der Region, konnten wir ein Netzwerk schaffen, das ¨¹ber die Forschung hinausgeht. Inzwischen wird das SEC in der Schweizer S¨¹dostasienstrategie namentlich erw?hnt. Darauf k?nnen wir als ETH stolz sein. Schliesslich laden wir ETH-Spin-offs, aber auch andere Schweizer Unternehmen dazu ein, am SEC eine Zeitlang die multikulturelle L?wenstadt kennenzulernen. Das SEC bietet Raum und Gelegenheit f¨¹r einen ersten Schnupperbesuch, damit auch erste Gesch?ftskontakte aufgebaut werden k?nnen.

Singapore-ETH Centre (SEC)

Das Singapore-ETH Centre wurde im Jahr 2010 von der ETH Z¨¹rich und Singapurs National Research Foundation (NRF) gegr¨¹ndet, als Teil des NRF CREATE-Ó¢»ÊÓéÀÖ. Das Forschungszentrum vereint rund 300 Forschende aus verschiedenen Disziplinen. Sie arbeiten im Rahmen dreier Flagship-Programme ¨C Future Cities Lab Global, Future Resilient Systems und Future Health Technologies ¨C sowie an rund 50 Projekten mit kurzer bis mittlerer Laufzeit, darunter Cooling Singapore und Digital Underground.

Mehr Informationen [in Englisch]: https://sec.ethz.ch

Als das SEC 2010 den Betrieb aufnahm, sprach man von einem Forschungslabor. Die Resultate sollten auch in der Schweiz ihre Wirkung entfalten. Wie funktioniert dieser Wissenstransfer?
Der Transfer umfasst wissenschaftliche Erkenntnisse, Ingenieursl?sungen in Form von Prototypen, anwendungsfertigen Produkten und Handlungsempfehlungen. Wir haben ein Dual-Hub-System eingef¨¹hrt, das eine Br¨¹cke zwischen den Standorten bildet. So hat etwa das Future Cities Lab Global neben der physischen Niederlassung in Singapur auch eine solche in Z¨¹rich. L?sungen, die in Singapur mit Blick beispielsweise auf die K¨¹hlung der Stadt, Energieeffizienz oder Klimamodellierung entwickelt wurden, stossen nicht nur bei der Stadtplanung in Z¨¹rich, sondern auch in anderen St?dten der Schweiz und weltweit auf grosses Interesse.

Sie haben das Future-Health-Technologies-Programm erw?hnt. Wie ist dieses angelaufen?
Unter ganz besonderen Umst?nden. Als ich Anfang 2021 nach Singapur kam, waren wir alle erst mal f¨¹r ein Jahr im Homeoffice t?tig. Singapur hatte die Corona-Pandemie sehr effektiv bek?mpft, aber mit rigorosen Massnahmen, die uns stark behinderten. So bereiteten wir den Programmstart weitestgehend online per Videochat vor. Die FHT-Teams in Singapur und Z¨¹rich haben in dieser Aufbauphase wirklich Grossartiges geleistet. Inzwischen sind einige der Projekte bereits sehr weit fortgeschritten. Es geht beispielsweise darum, das Risiko von St¨¹rzen zu erkennen, bevor der Sturz passiert, insbesondere bei ?lteren Menschen. Dabei helfen uns Methoden des maschinellen Lernens und der k¨¹nstlichen Intelligenz. Diese Analysen sollen nun auch in der Schweiz angewendet werden.

Und dann gibt es noch ein drittes Flagship-Programm ¡­
Das Future Resilient Systems Programm ¨C FRS. Da sind wir mitten in der zweiten f¨¹nfj?hrigen Phase. Das Programm haben wir erfolgreich auf konkrete Fragestellungen fokussiert. Nun wollen wir die Forschungsergebnisse in den n?chsten zwei Jahren in handfeste Produkte ¨¹berf¨¹hren. Ein gutes Beispiel ist die Initiative Infrarisk, die die Risiken von Naturgefahren f¨¹r Infrastrukturen modelliert. Hier laufen aktuell Gespr?che mit der Stadt Z¨¹rich, wie sich diese Modelle sinnvoll einsetzen liessen. Auf andere St?dte wurden sie bereits angewendet.

Nun haben Sie die Leitung an Manu Kapur ¨¹bergeben. Was kommt auf Ihren Nachfolger zu?
Entscheidend wird die weitere Verst?rkung der Sichtbarkeit des SEC an der ETH und in der Schweiz sein. Es m¨¹ssen auch weiterhin hervorragende Forscherinnen und Forscher f¨¹r das SEC begeistert und gewonnen werden. Zum einen laufen die Flagship-Programme weiter, das FCL Global im Bereich der St?dteplanung, das FRS in der Resilienzforschung und das FHT in der Gesundheitsforschung. Daneben gibt es die kleineren Programme und Projekte, die kontinuierlich neu eingeworben, begleitet und dann wieder beendet werden m¨¹ssen. Bei all diesen Planungen und Koordinationsaufgaben leistet auch der Managing Director des SEC, Thomas Meyer, ganz hervorragende Arbeit. Und dann wird Manu seine eigenen Ideen lancieren und umsetzen.

Gisbert Schneider

Porträtfoto von Gisbert Schneider

Gisbert Schneider studierte Biochemie, Medizin und Informatik an der Freien Universit?t Berlin. Nach seinem Doktorat f¨¹hrte ihn seine Forschung um die ganze Welt. Nach einer Anstellung in der pharmazeutischen Industrie erhielt er einen Ruf als ordentlicher Professor an die Goethe-Universit?t Frankfurt. Seit 2010 ist er ordentlicher Professor f¨¹r Computer-?Assisted Drug Design am Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften der ETH Z¨¹rich. Von 2018-?2020 war er Associate Vice President ETH Global und von Anfang 2021 bis Ende 2023 Direktor des Singapore-?ETH Centre in Singapore.

Und wie geht es nach Singapur f¨¹r Sie weiter?
Ich bleibe dem SEC als Verwaltungsrat erhalten und freue mich darauf, die Aussenstelle in Singapur auf strategischer Ebene mitzugestalten und in dieser Rolle auch Manu zu unterst¨¹tzen. Gleichzeitig denke ich aktuell dar¨¹ber nach, am SEC nun auch meiner eigenen Forschung nachzugehen: mit Hilfe der k¨¹nstlichen Intelligenz neue Medikamente zu finden. Singapur ist eines der grossen Zentren der chinesischen Medizin ¨C ein idealer Ort, um pharmakologisch aktive Naturstoffe zu evaluieren und sie in kommerziell verwertbare Medikamente umzusetzen.

Die ETH hat angek¨¹ndigt, nach Singapur in Heilbronn die zweite Aussenstelle zu er?ffnen. Gibt es Erfahrungen, die sich f¨¹r den Aufbau dieser Aussenstelle nutzen lassen?
Wir standen in Singapur vor der Frage, wie eine juristisch eigenst?ndige Einheit aufgebaut und mit der ETH koordiniert wird. Diese Erfahrungen sind sicher hilfreich, obwohl sie nicht direkt ¨¹bertragbar sind, da Singapur vom angloamerikanischen Rechtssystem gepr?gt ist. Dann haben wir gesehen, wie wichtig die Managementstruktur ist. Die auf drei Jahre beschr?nkte Leitung in Kombination mit einem Managing Director, der die Konstanz gew?hrleistet, hat sich sehr bew?hrt. Mit dem Dual-Hub-System haben wir einen Weg aufgezeigt, wie sich Forschung an einem Thema zwischen zwei Standorten koordinieren l?sst. Und als letzte Parallele m?chte ich den Austausch erw?hnen: Auch in Singapur sind wir mit anderen weltweit f¨¹hrenden Universit?ten auf einem Ó¢»ÊÓéÀÖ vereint.

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